Rollenspielrunden atmosphärisch starten

Tipps für einen imposanten Einstieg in das Abenteuer

Am Start jeder Rollenspielrunde gibt es diesen einen besonderen Moment. Die Gespräche über Familie, Arbeit und Netflix verstummen langsam, und die Spieler richten ihre Aufmerksamkeit voller Erwartung auf den Spielleiter. Es fühlt sich fast ein wenig an wie im Kino oder im Theater, wenn der Vorhang sich lüftet und das Licht ausgeht.

Die erste Szene, die ersten paar Worte des SLs legen nun den Grundstein für die Atmosphäre des gesamten Abends. Und immer noch starten viele Sielleiter mit einem schlichten „Ihr seid gerade in…“. Mit nur minimalem Mehraufwand lässt sich eine viel beeindruckendere und wirkungsvollere Eröffnung machen. Wie das geht, das sehen wir uns in diesem Artikel an.

Effekt: ★ ★ ★ ☆

Schwierigkeit: Anfänger

Lesezeit: 9 min

rollenspieler unterhalten sich

Den Spielern Zeit zum Ankommen geben

Bevor ihr die Runde startet, plant immer etwas Zeit für die Spieler ein, um einander zu begrüßen und für etwas Smalltalk. Das heißt Neuigkeiten über Familie und Arbeit austauschen, aktuelle Netflix-Serien besprechen, usw. Snacks und Getränke werden noch hergerichtet, und es werden (hoffentlich) die Smartphones auf lautlos gestellt. Das Ganze ist eine Art Ritual zum Runterkommen, um den Alltag aus dem Kopf zu bekommen, und um langsam ins Spiel überzugleiten. Und oft ist es auch eine Zeitüberbrückung, wenn man wieder mal auf wen wartet, der zu spät kommt.

Deshalb solltest du die ersten 30 Minuten einer Session immer dafür einplanen, dass sich alle entspannen und langsam auf die Rollenspielrunde einstimmen können. Das stellt dann später die unaufgeteilte Konzentration der Spieler sicher. Ohne diese Übergangsphase fällt es nämlich vielen Leuten schwer, sich auf die Stimmung des Spiels einzulassen.

Tabuthemen gemeinsam festlegen

Klär mit jedem am Spieltisch ab (auch du selbst), welche Themen ihr nicht in der Story haben wollt. Wenn ihr euch untereinander schon gut kennt, dann kannst du diesen Schritt für gewöhnlich überspringen. Aber wenn neue Spieler dazustoßen, ist es sehr wichtig, sie nach ihren Tabuthemen zu fragen.

Jeder fühlt sich durch andere Inhalte getriggert. Und diese aus der Geschichte wegzulassen, ist essentiell, damit sich alle wohl fühlen. „Lines“ sind dabei Themen, die ganz umschifft werden sollten. „Veils“ sind Inhalte, die Teil der Story sein dürfen, aber abgeschwächt werden sollen (z.B. durch ein Abblenden oder Abkürzen einer Szene).

Und „Veils“ sind Inhalte, die vorkommen dürfen, aber nur in abstrakter oder abgeschwächter Form. Das Definieren von Tabuthemen ist eine gute Gruppenübung, um eine sichere Spielumgebung für alle zu schaffen. Sie hilft dabei, heikle Situationen, die Spielern während der Session unangenehm wären, schon im Vorfeld zu vermeiden.

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5 Techniken zum Start einer Rollenspielrunde

Sobald deine Spieler auf die Rollenspielrunde eingestimmt sind, ist dein großer Moment als Spielleiter gekommen. In den nächsten ein bis zwei Minuten hast du ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Jetzt ist es an dir, einen beeindruckenden Einstieg hinzulegen und das Fundament für die Stimmung des Spielabends zu schaffen. Für diesen besonderen Moment gibt es ein paar hilfreiche Techniken, die wir hier im Detail durchgehen werden.

1. Die Schweigeminute

Eine sehr wirkungsvolle und denkbar einfache Übung zum Start eines Rollenspielabenteuers ist die Schweigeminute. Lass‘ die Spieler sich dafür gemütlich zurücklehnen, und genießt dann eine halbe Minute, in der niemand etwas sagt. Das gleicht einer sehr simplen Meditation und verbessert die Konzentration von allen am Spieltisch. Um den Anfang dieser Schweigezeit zu optisch hervorzuheben,

kannst du als Gimmick z.B. Ruhige und unaufdringliche Hintergrundmusik kann die Stimmung in dieser Minute weiter intensivieren.

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2. Musik zur Einstimmung

Was auch gut klappt, um zum Start einer Runde Atmosphäre aufzubauen, ist das Anhören einer zum Setting passenden Hintergrundmusik. Das könnten düstere Saxophonklänge für ein Noir-Szenario sein, oder Ambience-Musik mit Naturgeräuschen für eine Geschichte, die in der Wildnis spielt. Die Musik regt dabei die Vorstellungskraft der Spieler an und hilft ihnen, in die richtige Stimmung für die Story zu kommen.

Der Titel sollte idealerweise 1:00 bis 1:30 Minuten lang sein. Längere Tracks würden die Geduld der Spieler zu sehr strapazieren, während sie auf den Spielbeginn warten. Für Kampagnen, die über mehrere Spielsessions gehen, bietet es sich an, eine wiederkehrende Melodie als sogenanntes „Theme“ zu verwenden. Mit der Zeit entwickelt es einen Wiedererkennungswert, und wird von den Spielern fortan mit der Kampagnenstory assoziiert.

spielleiter beginnt pen and paper rollenspielrunde

3. Der Spielleiter-Monolog (der Klassiker)

Der bei weitem gebräuchlichste Abenteuereinstieg ist ein Monolog des Spielleiters. Dabei beschreibt sie oder er das Setting und die Ausgangssituation, stellt die Charaktere vor, usw. Einem guten Erzähler gelingt es damit, eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen.

Übertreib‘ es dabei aber nicht mit der Länge. Zwei bis drei Minuten sind ein guter Richtwert dafür. Längere Beschreibungen können anstrengend zum Zuhören werden,. Statt die Spieler auf das Szenario einzustimmen, könntest du sie damit langweilen. Wenn sie anfangen, dich zu unterbrechen, weil sie etwas in der Geschichte unternehmen wollen, dann ist das ein Zeichen dafür, das eine Einleitung etwas zu lang war. Da ist es besser, du lädst die Spieler mit Fragen zu ihren Charakteren oder zur Vorgeschichte ein, sich an der Einleitung zu beteiligen.

4. Aufwärmübungen aus dem Improtheater

Im Improvisationstheater gibt es eine Fülle an Techniken, um die Kreativität der Schauspieler für ihren Auftritt aufzuwärmen. Diese Übungen sind auch sehr gut für das Tischrollenspiel geeignet. Sie lassen die Spieler schnell in verschiedenste Settings und Rollen hineinschlüpfen, wofür man viele Dialoge improvisiert. Diese Aufwärmspiele sind extrem hilfreich, um das Vorstellungsvermögen und die Kreativität der Spieler und des SLs vor der Runde aufzulockern, und um sich aufeinander etwas einzustimmen.

Wenn dich das interessiert, sieh‘ dir unbedingt „Improv for Gamers“ von Karen Twelves an. Diese Übungen kannst du ohne große Vorbereitung direkt aus dem Buch verwenden. Eine Absolute Empfehlung! Hol‘ es dir auf DriveThruRPG.
Schau‘ auch mal am Improv for Gamers Youtubekanalvorbei. Dort gibt es einige interessante Videos, die zeigen, wie diese Impro-Übungen in der Praxis funktionieren.

Aufwärmübungen aus dem Improtheater sind besonders nützlich für Rollenspiele mit hohem Erzählanteil für die Spieler (z.B. PBTA-Rollenspiele), oder auch Erzählspiele ohne Spielleiter. Dabei muss ja besonders viel improvisiert werden. Ich war sehr beeindruckt, wie gut das für meine verschiedenen Monsterhearts-Runden funktioniert hat.

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5. Charakterauswahl (für One-Shots)

Bei One-Shots kann die Auswahl von vorgefertigten Charakteren ein interessanter Einstieg in die Geschichte sein. Dafür sollte der SL die Charaktere samt Motivation und Hintergrundstory grob umreißen. Nachdem die Charaktere verteilt wurden, können sich die Spieler mit den Details der Hintergründe vertraut machen, um sich mit den Figuren tiefer auseinander zu setzen. Eine gut geschriebene Hintergrundgeschichte transportiert auch gleich das Setting mit und gibt einen Vorgeschmack auf des Szenarios.

Natürlich kann der Vorgang der Charakterzuteilung noch etwas aufgemotzt werden. Du kannst z.B. die Charaktere an die Spieler versteigern. Je nach System können sie dafür mit Schicksalspunkten, Fate Chips oder Bennies bezahlen. Oder der SL macht konkrete Vorschläge an die Spieler, wer aufgrund seines persönlichen Spielstils am besten welchen Charakter übernehmen sollte. Das klappt natürlich nur dann, wenn der Spielleiter die Spieler gut genug kennt.

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Der wichtigste Teil einer Rollenspielrunde sind die ersten 10 Minuten. Also macht was draus.

Verschiedene Techniken zum Start der Runde kombinieren

Am besten hat bei mir bis jetzt immer funktioniert, verschiedene Techniken zum Einstieg zu kombinieren. Atmosphärische Hintergrundmusik gefolgt von einer kurzen Erzählung des SLs lässt die Spieler geschmeidig in die richtige Stimmung für’s Spiel kommen. Gerade für One-Shots oder Runden mit neuen Spielern braucht es ja immer eine Erklärung des Settings und der Ausgangssituation, um eine gewissen Erwartungshaltung oder Vorfreude bei den Spielern aufzubauen.

Idealerweise probiert ihr einfach verschiedene der oben genannten Techniken für eure eigenen Runden aus, bis ihr das Passende für euch gefunden habt. Schreibt uns doch eure Erfahrungen dazu unten in die Kommentare. Schreibt ruhig auch rein, was für euch nicht gut funktioniert hat – das ist ebenfalls sehr lehrreich für alle.

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Starte nie mit einer Kampfszene

Ein SL-Tipp zum Rundeneinstieg, den man oft wo liest, ist: „Schmeiß‘ deine Spieler direkt in die Handlung mit einer Kampfszene. Das erzeugt sofort Spannung.“ Klinkt interessant, geht aber oft in die Hose.

Zum Beginn einer Runde sind die Spieler noch nicht voll drin in der Atmosphäre des Spielabends. Wenn sie sich dann noch mit komplizierten Kampfregeln herumschlagen müssen, kann sie das schnell überfordern. Dadurch werden sie wiederum aus der Stimmung herausgerissen, die man so mühsam aufbauen wollte. Darum raten wir ausdrücklich davon ab, mit einer Kampfszene zu starten.

Das würde die anfängliche Aufmerksamkeit und Energie der Spieler auf eine Würfelorgie verschwenden. „In medias res“ (mitten im Geschehen) mit einer spannenden Szene anzufangen, um schnell in die Atmosphäre der Story einzutauchen, macht ja absolut Sinn. Ein Einbruch oder eine Verfolgungsjagd – sofern es ohne komplexe Regeln geht – funktionieren dafür gut, um etwas Druck bei den Spielern aufzubauen. Aber eine Kampfszene klappt nur in ganz wenigen Fällen. Uns fällt jetzt auch kein Hollywood-Film ein, der sofort mit einem Kampf oder eine Schießerei beginnt, ohne das Setting vorher kurz zu umreißen. Sogar im Film braucht es eben vorher eine Einleitung, um dem Publikum die Szenerie und die Ausgangssituation näher zu bringen.

Fazit: Bemühe dich um einen starken Einstieg

Die ersten Minuten eines Rollenspielabenteuers bieten extrem viel Potenzial, um eine interessante Atmosphäre für den ganzen Abend zu schaffen. Mit den richtigen Einstiegstechniken kannst du bei deinen Spielern gehörig die Vorfreude auf das Abenteuer steigern – genauso wie das ein Teaser für einen Film macht. Und ein gut gemachter Einstieg hilft darüber hinaus den Spielern, in das Setting der Spielrunde einzutauchen. Wenn ihr mich fragt, was der wichtigste Teil einer Rollenspielrunde ist, ich würde diese ersten zehn Minuten nennen.

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Thomas Weinberger

Thomas Weinberger

Hallo, ich bin Thomas, Rollenspiel-Fan seit 1994. Aktuell beschäftige ich mich am meisten mit Indie- und Storygames. Ich möchte andere Spielleiter mit Tipps und Ideen zu diesem genialen Hobby unterstützen.

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